2006-11-29

Abmahn-Bahn

Deutsche Bahn startet Abmahn-Lawine

Eine neue Welle von Abmahn-Schreiben erreichte im Laufe dieser Woche mehrere Tausend Betreiber von Webseiten, darunter insbesondere Blogger und Forenbetreiber, aber auch Flugunternehmen und Betreiber von Ratgeberseiten.

Die Abmahnung begründete sich auf die Tatsache, dass die Betreiber der angemahnten Seiten unrechtmäßig das Wort "Verspätung"® benutzt haben. Dieses Wort sei in allen Abwandlungen aber ein für die Deutsche Bahn registrierter und geschützter Begriff und dürfe daher ohne vorherige Genehmigung und kostenpflichtiger Nutzungslizenz nicht von anderer Seite verwendet werden.

Auf Druckware sei, egal in welchem Kontext, bei Verwendung des Wortes "Verspätung"® das Registrierungszeichen ® und eine Fußnote anzugeben, welche eindeutig den Zusammenhang zur Deutschen Bahn AG herstellt.

Insbesondere aber auch die Verwendung auf Webseiten ohne Angabe des Registrierungszeichens und direkter Verlinkung zu den entsprechenden Themenseiten der Deutschen Bahn sei unzulässig.

Webseitenbetreiber gaben daraufhin an, dass es auf den Webseiten der Deutschen Bahn AG ja gar keine Seiten zum Thema "Verspätung" gäbe, auf die verlinkt werden könne.
Als Antwort wiesen die Anwälte der Deutschen Bahn AG jedoch darauf hin, dass die Seite Uhren und Zeit der richtige Verlinkungsort wäre, da diese mit ihren Überschriften "Zeigersprung", "Reisezeit ist Nutzzeit" und dem Zusammenhang zwischen dem Wort "Verspätung" ® und der Aussage: "S-Bahnzüge, die nur innerhalb dieser Stunde unterwegs wären, fallen -unbemerkt- aus" eindeutig den Sachverhalt im Rahmen eines üblichen 24-Stunden-Arbeitstages beschreiben würden. Ausserdem sei diese Seite problemlos über die webseiteninterne Suche mit dem Begriff "Verspätung" zu finden.

Leider sei die Seite nicht ganz aktuell, das würde aber in Kürze korrigiert. So befände sich fälschlicherweise noch die Aussage: "In kaum einem anderen Lebensbereich kommt es so auf die Zeit an wie bei der Bahn. Die Züge müssen nach einem Fahrplan fahren, damit der Bahnbetrieb reibungslos durchgeführt werden kann" auf dieser Seite, welche ja nun wirklich überholt wäre. Auch die Überschrift "Genaue Uhr" sei nur aufgrund eines Versehens auf dieser Seite gelandet.

Bestürzt über das Abmahnschreiben zeigte sich vor allem der Betreiber der Internet-Enzyklopädie "Wikipedia", der nun eine Forderung von mehreren Millionen Euro auf sich zu kommen sieht, weil er es auf der Seite Wikipedia:Verspätung nicht nur versäumt hat, auf die Deutsche Bahn AG hinzuweisen, sondern auch noch in geschäftsschädigender Weise ein Bild eines deutschen Flughafens anstatt einer Bahnhofshalle verwendet hat.

Es gibt jedoch auch Bewunderer der Deutschen Bahn AG, die sich immer wieder fragen, wie sie das mit den Verspätungen® eigentlich in bisher ungekannter und ungeahnter Weise erreicht. Auch diese wurden auf o.a. Webseite verwiesen, denn der Satz "Das alles kann nur funktionieren, wenn es eine Konstante gibt, an die sich alle halten: die Uhrzeit." sei, richtig verstanden, die Antwort auf genau diese Frage.


Nachtrag: Dieser Text wurde im November 2006 verfasst. Aktuell (September 2007) hat Wikipedia auf die genannten Vorwürfe reagiert und auf ihrer Seite Wikipedia:Verspätung sowohl einen Link zur Deutschen Bahn sowie als Zeichen der Ironie zur Seite Wikipedia:Pünktlichkeit(Bahn) eingerichtet. Auch das Bild des Flughafens wurde gegen ein Foto der Standard-Zug-Verspätungsanzeigen ausgetauscht.